Der Weg zum deutschen Scheibengewehr

 

Die Entwicklung zum einheitlichen deutschen Schützenwesen begann sicherlich nicht an einem exakten Tag. Das ist für historische Ereignisse nur aus der Sicht der Nachgeborenen möglich, aber zur eigentlichen Zeit unwahrscheinlich. So wird sich auch der Drang zum gemeinsamen Ansinnen, ein Schützenwesen auch auf dem Gebiet Deutschland zu etablieren, langsam entwickelt haben. 

Beginnend mit dem Jahr 1848 lassen sich Forderungen nachweisen, im Zuge sich entwickelnder demokratischer Bestrebungen einen Zusammenschluß auch der Schützen zu organisieren. Da waren vorher die Turner und Sänger, die übergeordnete Strukturen schufen, deutlich weiter mit der Organisation, diese wurden damals aber von noch allein regierenden Adligen und anderen Herrschern dafür strafrechtlich verfolgt.  

Das eigentliche historische Ereignis für die Schützen fand 1861 im von Kleinstaaterei geprägten Deutschland im thüringischen Gotha statt. Dort wurde, auch mit Duldung und Wohlwollen des herrschenden Regenten, Herzog Ernst II. v. Sachsen-Coburg-Gotha der Deutsche Schützenbund gegründet. Es wurde eine Vereinigung aus der Taufe gehoben, die sich im erst noch zu schaffenden einheitlichen Deutschland rasant entwickelte. Damals übrigens noch mit den Turnern zusammen, auch wenn das heute erstaunlich klingt. 

Vom 7. Bis 12.Juli 1861 fand dort die Gründung des DSB ( Deutscher Schützen Bund ) statt. Bereits 1862 wurde zu Frankfurt/ Main das zweite Deutsche Schützenfest mit gut 800 Teilnehmern gefeiert. Das zu einer Zeit als es weder Telefon, noch eine einheitliche Post, geschweige denn gleiche Maße und Gewichte gab. Das läßt den Aufwand der Vorbereitungen, das sagenhafte Maß an mühevoller Organisation erahnen, welches unsere Vorfahren aufbrachten, um sich für eine solche große Veranstaltung zu treffen. Sie wollten sich im sportlichen Wettkampf messen, dafür wurde ein gewaltiger Aufwand getrieben. Eine Festhalle wurde errichtet, die dann zu jedem weiteren Treffen größer wurde, da sich mit der Ausweitung der Bewegung dann bis zu 5.000 Schützen trafen. Viele Städte im gesamten Land waren Austragungsort der alle 3 Jahre abgehaltenen Schützenfeste, die dann Bundesschiessen genannt wurden. Es kamen aber nicht nur aus Deutschland Teilnehmer, sondern auch aus Österreich, der Schweiz, Dänemark, Norwegen, Italien, Belgien, Holland, Frankreich, Luxemburg, Spanien, Rußland, ja, sogar aus Amerika kamen zeitweise Teilnehmer. Einige sicherlich aus dem „Ausland“, weil dorthin vorher ausgewandert, der Heimat aber weiter sehr verbunden. 

Bei den Bundesschiessen wurden anfangs nur Vorderlader genutzt, die Verwendung von Metallpatronen kam erst später auf. Aber aus heutiger Sicht waren die Leistungen unsere Ahnen mehr als beachtlich. So wurde stehend freihändig ( ! ) auf 175 m (Standscheibe mit 35 cm Spiegel) und 300 m ( Feldscheibe mit 60 cm Spiegel ) geschossen. Erst ab dem 18. Bundesschiessen in München 1927 wurden Wettkämpfe militärisch orientiert liegend, kniend und stehend geschossen. 

Pistolen Wettkämpfe fanden natürlich auch statt, die sich auf die Distanz von 35 m abspielten. Das Militär verwendete noch, aus heutiger Sicht,  enorm große Kaliber in Vorderladern. Im militärischen Bereich war jedoch auch schon damals nicht mit schnellen Änderungen zu rechnen. Die Bewaffnung wurde meist erst nach verlorenen Kriegen, hier der Krieg 1866 mit der Niederlage Bayerns und Österreich, geändert. Mit der Einführung der Metallpatrone für das Werder-Gewehr wurde die erste „ richtige „ Patrone in deutschen Landen, genau in Bayern, benutzt. Sie vereinte in einer Hülse Ladung, Geschoß und Zündsatz. 

Das vorher schon erfundene Zündnadelgewehr hatte das ähnlich, aber in anderer Reihenfolge. Es war noch deutlich komplizierter konstruiert. 

Für das sportliche Schießen, meist noch als Übung für die Verteidigung des Vaterlands gedacht, fanden erste Patronen nur langsam Verwendung. Schließlich bedeutete das auch die Anschaffung und Verwendung neuer Waffen, die waren auch schon damals teuer. Militärische Kaliber waren zu groß, die alten Schießstände hätten dafür nicht genügt. Blenden, Kugelfang und Seitenwälle waren für die sichere Beherrschung solcher Geschosse nicht geeignet. Erst mit dem Aufkommen präziser, aber kleinerer Kaliber um 11 mm und darunter, war es machbar, die teils schon Jahrzehnte alten Stände sicher weiter zu benutzen. 

In der Zwischenphase beim Übergang von Vorderlader zu Hinterladern mit Patrone fanden sogenannte Konkurrenzschiessen statt, dabei traten Teilnehmer mit Vorderladern gegen solche mit Metallpatronen-Waffen an. Es war keineswegs ein ungleicher Wettkampf, denn die mit Schwarzpulver betriebenen Vorderlader hatten im 18. Jahrhundert schon eine solche Vollendung erreicht, dass die Präzision lange mindestens ebenbürtig war.  

Erst mit Wettkämpfen, bei denen die Zeit begrenzt wurde, traten deutliche Unterschiede zu tage.  

Und seien wir mal ehrlich, wer konnte sich zur Zeit um 1850 schon dem Schießen als Hobby widmen? Nur gut betuchte Bürger, denn eine Waffe war eine erhebliche Anschaffung, das Zubehör samt Verbrauchsmaterial kostete eine nicht unwesentliche Summe. Es war ein elitärer Zeitvertreib, auch die Teilnahme an Schützenwettkämpfen oder auch die Anreise zu weit entfernten Bundesschießen waren nicht für den kleinen Handwerker oder normale Arbeiter möglich. Von der langen Zeitdauer damaliger Reisen mal abgesehen, denn manche Veranstaltung dauerte gut 2 Wochen. Für die Unterbringung am Ort hatte man selber aufzukommen, auch wenn manche Stadtoberen sich im Nachhinein an den Aufwendungen beteiligten, so die Schützen sehenswerte Erfolge mit heim brachten.  

Da sich die Verbandsführung der Schützen landesweit auch um die Chancengleichheit bei Wettkämpfen bemühte, wurde der Versuch unternommen, den Schützen einheitliche Waffen bzw. wenigstens Kaliber/ Patronen schmackhaft zu machen. Dem standen aber die höchst eigenen Interessen der zahllosen Büchsenmacher gegenüber. Jeder wollte „sein“ Kaliber, „seine“ Patrone mit deren eigenen Komponenten zum Wiederladen verkaufen.  Es war ein jahrelanger K(r)ampf, bis sich die Mehrzahl der Schützen auf das Kaliber 8,15x46R als die Scheibenpatrone an sich einigte. Die einen wollten Ihre alten Waffen behalten, andere fanden 8 mm als zu klein usw..  

Da sich aber die Mehrheit dann doch darauf einigte, die sogenannte „Frohnpatrone“ zu verwenden, florierte alsbald der Handel mit Waffen sowie passenden Wiederladerkomponenten in einer für uns unvorstellbaren Vielfalt. Sichelich jeder  Büchsenmacher bot Pulver, Geschosse, Patronenhülsen, Werkzeuge und Zündhütchen an, viele Händler sogar im Versandhandel per Zeitungsannonce, zur damaligen Zeit absolut unkompliziert.  

Sicherlich gab es in der Übergangsphase zwischen der Verwendung von Schwarzpulver und dem neuen Nitro-Pulver auch Unfälle beim Laden, denn es gab schon damals auch sehr experimentierfreudige Ahnungslose, die sich bei der Verwendung des neuen Pulvers nicht einschränken wollten. Das führte dann aber auch zu den heute noch üblichen Beschusstests bzw. Abnahmeprüfungen mit staatlicher Kontrolle für alle neuen Waffen. 

Die Vielfalt der damals hergestellten Waffe, insbesondere der Scheibenbüchsen, mit Verschlüssen nach Martini, Stahl, Aydt, Kessler und andern war enorm. Das sind heute begehrte Sammelobjekte, denn so viele haben die stürmischen Zeiten in Europa dann doch nicht überdauert (Autor: Andreas P.).